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Die Katholischen Krankenhäuser - Unverzichtbar menschlich

Ausgabe 3 / 20. Juni 2024

Vorbehaltsaufgaben konsequent gesetzlich umsetzen

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Wir benötigen keine Sonntagsreden mehr über Anerkennung und Wertschätzung, sondern verbindliche gesetzliche Regelungen zur konsequenten Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben in der Pflege, fordert Sandra Postel, Präsidentin der NRW-Pflegekammer.

Von Sandra Postel

Erstens: Das Verordnungsrecht im Bereich SGB V und SGB XI für Pflegehilfsmittel im Krankenhaus und der häuslichen Krankenpflege muss endlich der Pflege überlassen werden. Pflegefachpersonen bereiten schon lange die entscheidenden Unterlagen hierfür für Ärzt:innen vor, die sie in den meisten Fällen nur noch abzeichnen. Das umfasst Klassiker wie die Verordnung einer Dekubitus-Matratze oder Aufwendungen bei Pflegebedürftigkeit in der Nachversorgung eines Krankenhausaufenthalts. Keiner dieser Bereiche greift in originär ärztliche Tätigkeiten ein.

Verordnung von Pflegehilfsmitteln der Pflege überlassen

Ein weiteres Beispiel zeigt die mögliche Trennschärfe: Die Medikamenten-Verordnung, insbesondere Erstverordnungen, muss eine ärztliche Aufgabe bleiben. Die Medikamenten-Applikation, also die für die Patient:innen angemessene Darreichungsform und notwendige Hilfestellungen, kann aber die verantwortliche Pflegefachperson vielfach besser festlegen. Also sollte sie die Verordnung entsprechend ausstellen können.

Zweitens: Mehr als 20 Jahre nach dem entscheidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes muss endlich eine konsequente Übertragung des Berufsrechtes auf den Berufsstand erfolgen. Die Karlsruher Richter hatten 2002 festgestellt, dass die Altenpflege und damit der Pflegeberuf ein gesundheitlicher Heilberuf ist und kein sozialer Hilfs- oder Assistenzberuf. Er ist also so wie die Medizin zu behandeln.

Pflegeberuf ist ein gesundheitlicher Heilberuf

Das Berufsrecht der Ärzt:innen liegt nicht in einem Ministerium, sondern in den Ärztekammern, weil nur sie über das für eine Regulierung und die Fachaufsicht nötige Fachwissen verfügen. Gleiches muss für die Selbstverwaltung der Pflege gelten. Niemand würde auf die Idee kommen, Ärzt:innen ihre berufsrechtliche Eigenständigkeit zu nehmen. Doch selbst pflegerische Aufgaben werden de facto als ärztliche Vorbehaltsaufgaben behandelt. Das Endotracheale Absaugen etwa fällt berufsrechtlich in den ärztlichen Bereich, obwohl niemals ein Arzt oder eine Ärztin, sondern immer eine Pflegefachperson diese Aufgabe übernimmt.

Drittens: Mit der Anerkennung im Berufsrecht brauchen wir die stringente Übertragung ins Leistungsrecht. Es gibt keinen Grund, Pflegefachpersonen nicht auch direkt Leistungen abrechnen zu lassen. Der jahrzehntelange Streit um Delegation und Substitution wäre endlich beendet. Zumal die Verantwortung für die konkrete Durchführung einer Pflegemaßnahme sowieso an der einzelnen Pflegefachkraft haften bleibt und nie auf eine Ärztin oder einen Arzt zurückfallen kann.

Unnötige Arbeitsprozesse abbauen

Bleibt also die Wirtschaftsverantwortung. Das Argument des GKV-Spitzenverbandes im Sinne des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf nur einen Ansprechpartner zu setzen, greift nicht. Das Misstrauen gegenüber der Pflege ist unbegründet, weil die medizinischen Dienste bei Hilfsmitteln sowieso die Bedürftigkeit prüfen.

Die Abrechnungsfähigkeit von Pflegefachpersonen könnte aber helfen, unnötige Arbeitsprozesse abzubauen: Aktuell muss ein ambulanter Pflegedienst dafür Sorge tragen, dass er das richtige Rezept vom richtigen Arzt mit der richtigen Verordnung bekommt. Die Ärzt:innen sind aber nicht so nah am Pflegeprozess der Patient:innen und fordern seit jeher von Pflegediensten, dass Pflegehilfsmittelverordnungen mundgerecht vorbereitet sind. Bezeichnenderweise spricht sich die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe mit uns dafür aus, die Abrechnungsfähigkeit für ambulante Dienste herzustellen.

International anschlussfähig bleiben

Die Durchsetzung der Vorbehaltsaufgaben bedeutet eine Verlagerung von Verantwortung auf jene, die auch die entsprechenden Leistungen erbringen. Es geht um eine Verschlankung von Prozessen und um mehr Teamwork. Denn das zeigen sämtliche QM-Analysen: Dort, wo Teams eng und vertrauensvoll kooperieren, steigt die Qualität und wächst die Berufszufriedenheit. Davon hätten alle etwas. Besonders die in Change-Prozessen befindlichen Krankenhäuser.

Und es geht darum, international anschlussfähig zu bleiben. Ganz selbstverständlich führen zum Beispiel Ärzt:innen in Frankreich keine Vorsorgeuntersuchungen mehr durch und stellen keine Folgeverordnungen mehr aus. Das machen Pflegefachpersonen. Und das ist in Kanada und den USA genauso. Daher: Setzen wir endlich die naheliegenden Schritte sauber um.

Sandra Postel ist Präsidentin der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen und Leiterin der Stabsstelle Pflege- und Sozialpolitik bei der Marienhaus-Gruppe.

Foto: Kath. Krankenhausverband/Jens Jeske

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