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Die Katholischen Krankenhäuser - Unverzichtbar menschlich

Ausgabe 2 / 04. April 2024

Klinik-Finanzierung: „Würde kein Handwerker zulassen“

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Wie steht es um die finanzielle Lage der Kliniken und was bringen die angekündigten Hilfen? KERN-Geschäftsführer Hendrik Nordholt fordert aufwandsgerechte Erlöse sowie Bundesmittel für den Transformationsfonds.

Von Hendrik Nordholt, Gelsenkirchen

Wir stehen an einem kritischen Punkt. Die Liquiditätssituation in nahezu allen Krankenhäusern ist angespannt. Besonders betroffen sind die freigemeinnützigen Träger. Ursachen sind die systembedingten Probleme in der Krankenhausfinanzierung, insbesondere durch die Vorfinanzierung des Pflegebudgets, auseinanderklaffende Kosten- und Erlösstrukturen sowie zunehmende administrative Anforderungen, die Ressourcen binden.

„Kein Gewerbebetrieb würde unter solchen Bedingungen arbeiten“

Die Vorfinanzierung des Pflegebudgets bedeutet eine enorme finanzielle Belastung. Unser Krankenhausverbund KERN Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord etwa muss bei einem jährlichen Gesamtetat von rund 630 Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023 ein Pflegebudget von 56 Millionen Euro vorfinanzieren.

Kein Gewerbebetrieb würde über mehrere Monate, teilweise auch Jahre in Vorleistung gehen und unter solchen Bedingungen arbeiten. Die in Aussicht gestellten sechs Milliarden aus Bundesmitteln sind ein Etikettenschwindel, weil zustehendes Geld aus der Vorfinanzierung nur etwas eher als sonst ausgezahlt wird.

Mehr noch: Die Kostenerstattung erfolgt teilweise nicht einmal vollständig. Wir müssen im Nachhinein verhandeln, wie viel Geld wir für unsere Leistungen überhaupt erhalten. Kein Handwerker würde es zulassen, dass er auch noch auf Teilen seiner Kosten sitzen bleibt.

Wir Krankenhäuser hingegen müssen rund zehn Prozent Kostensteigerung bei Personal- und Sachkosten schultern, sollen aber nur rund die Hälfte erstattet bekommen. Das bedeutet rein rechnerisch ein prognostiziertes Defizit, obwohl wir z.B. in unserem Verbund sehr wirtschaftlich handeln. Das geht so nicht.

„So ein System wäre fair, transparent und böte Planungssicherheit“

Erforderlich ist ein Gesundheitskostenindex, der Faktoren wie Lohnentwicklung im Gesundheitssektor, Preissteigerungen für Medizinprodukte und andere relevante Kostenentwicklungen berücksichtigt. An diesen Orientierungswert, den es ja gibt, müssen sich die Basisfallwerte als Grundlage der Krankenhausvergütung automatisch und vollständig anpassen. Damit würde eine künftige Vergütung den realen Kosten entsprechen, politisch unabhängig sein und ohne Verzug zur Verfügung stehen. So ein System wäre fair, transparent und böte Planungssicherheit.

Neben dieser Liquiditätssicherung steht das Großprojekt Krankenhausstrukturreform. Die Bereitschaft zu strukturellen Änderungen ist bei den meisten Krankenhausgeschäftsführungen gegeben. Insbesondere in Ballungsräumen wie bei uns im Ruhrgebiet gibt es Potenziale, durch die Bündelung von Leistungen und die Spezialisierung einzelner Häuser Effizienzgewinne zu erzielen und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu steigern.

„Ein Krankenhausreform ist sinnvoll, aber nur, wenn sie realistisch finanziert wird und alle Beteiligten einbezieht“

Das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt, dass eine Krankenhausstrukturreform sinnvoll ist, aber nur, wenn sie realistisch finanziert wird und alle Beteiligten einbezieht. Und wenn sie mutig und mit Durchhaltewillen umgesetzt wird.

Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Transformation können als ineinandergreifende Prozesse verstanden werden, die einander verstärken können, wenn sie intelligent und vorausschauend angegangen werden. Dazu benötigen wir gezielte Finanzierungen dieser Transformationen.

Das eine sind die Investitionen in Gebäude, Technik, Infrastruktur, um diese Spezialisierungen und Effizienzgewinne überhaupt zu ermöglichen, seien es OP-Strukturen, Roboter zur Medikamenten-Versorgung oder vollintegrierte Bildgebungsverfahren in einem Verbund. Das andere ist es, den Übergang dahin zu erleichtern und gleichzeitig sicherzustellen, dass keine Versorgungslücken entstehen.

Denn natürlich können weitere Leistungen künftig ambulant erbracht werden, die Infrastruktur unseres Gesundheitssystems ist aber aktuell noch nicht daraufhin konzipiert. Und schließlich müssen wir die Übergangsphase abdecken, in der sich die neuen Strukturen noch nicht selbst tragen können, in der etwa Personal fortgebildet werden muss etc.

„Die Krankenkassen sind für die laufenden Behandlungskosten zuständig, nicht aber für den Rest“

In diesem Zusammenhang setzt die von Gesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagene Finanzierung des Transformationsfonds falsche Zeichen. Warum sollen Länder und gesetzliche Krankenkassen zahlen? Die Länder sind über Jahrzehnte hinweg ihren Investitionsverpflichtungen nicht nachgekommen und natürlich für eine neue Struktur verantwortlich.

Wenn nun aber Lauterbach mit seinen Einlassungen zu den Versorgungsstufen direkt in künftige Krankenhausstrukturen eingreift, muss sich auch der Bund an dieser Finanzierung beteiligen. Die Krankenkassen dagegen – und so sieht es auch die Krankenhausplanung NRW vor –  sollten aus diesem Bereich herausgehalten werden. Sie sind für die „laufenden“ Behandlungskosten zuständig, nicht aber für den Rest.

Der Autor Hendrik Nordholt ist Geschäftsführer der KERN Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord mit Sitz in Gelsenkirchen.

Titelfoto: pla2na / stock.adobe.com

Portraitfoto: Pascal Skwara

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