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Die Katholischen Krankenhäuser - Unverzichtbar menschlich

Ausgabe 2 / 04. April 2024

Klinik-Atlas: Informationen müssen belastbar und unabhängig sein

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Ab Mai sollen sich Patient:innen in einem online verfügbaren Klinik-Atlas besser informieren können. Im Interview spricht Dr. med. Dirk Albrecht, stellv. Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands, über Chancen des Portals und mögliche Folgen für die Krankenhausreform.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit einem Krankenhaus-Atlas die Transparenz für die Patient:innen erhöhen. Ist das grundsätzlich eine gute Idee?

Dr. med. Dirk Albrecht: Ja. Vertrauen ist ein hohes Gut und Transparenz schafft Vertrauen. Deshalb ist es richtig, für Transparenz zu sorgen. Die Menschen wollen die Möglichkeit haben, sich aus unabhängiger Quelle über Gesundheitsangebote zu informieren. Die Idee wird jedoch nur dann auch gut umgesetzt sein, wenn die Informationen wirklich belastbar und unabhängig sind.

Mit Verweis auf Behandlungsstatistiken beispielsweise bei Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Krebs beklagt der Gesundheitsminister unterschiedliche Qualitätsniveaus in den Kliniken. Wie bewerten Sie das aus der Praxis?

Es wäre eine Illusion zu glauben, dass Qualität überall gleich sei. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass alle Krankenhäuser an der Qualität ihrer Leistungen strukturiert arbeiten, diese systematisch überprüfen und dann auch nachweisen.

Bei der Diskussion um Qualität ist es aber zunächst wichtig, die Systematik festzulegen, mit der man Qualität beschreibt. So kann man sich allein an Strukturmerkmalen wie Geräten und Personalmengen orientieren oder besser an Zertifikaten von Fachgesellschaften, die meist auch die Prozessqualität einbeziehen. In diesen beiden Qualitätskategorien sind sicherlich Unterschiede zwischen Krankenhäusern feststellbar.

„Das kann ganz ähnlich wie eine Hotelbuchungsplattform funktionieren“

Ein weiterer wichtiger Qualitätsaspekt ist auch die Erfahrung eines Krankenhausteams, gemessen in der Zahl einzelner Eingriffe pro Jahr. Hier kann man davon ausgehen, dass Häuser, die viel Erfahrung haben, wahrscheinlich auch bessere Qualität leisten. Doch sind dies letztlich nur Qualitätssurrogate. Ob diese dann auch im Einzelfall zu objektiv höherer Ergebnisqualität führen, ist nicht so leicht nachzuweisen, aber im Grunde doch anzunehmen.

Zurück zum Krankenhaus-Atlas: Welchen Mehrwert kann so ein Instrument für Patient:innen Ihrer Meinung nach bieten und welche Informationen muss es dafür konkret vorhalten?

Ein Krankenhaus-Atlas kann dann ein Mehrwert sein, wenn er dem interessierten Laien objektive Informationen gibt, in welchem Krankenhaus er oder sie einen Eingriff mit hoher Qualität durchführen lassen kann. Die erhältlichen Informationen sollten ermöglichen, die vorhandene Kompetenz schnell und sicher zu erkennen. Dafür muss der Atlas eine laienverständliche Sprache verwenden, auf objektiven Informationen basieren und regelmäßig aktualisiert werden. Das kann ganz ähnlich wie eine Hotelbuchungsplattform funktionieren und muss auch ebenso einfach zu bedienen sein.

„Essenziell wird sein, die Menschen nicht zu verwirren“

Wie wird sich der Krankenhaus-Atlas auf die praktische Arbeit im Krankenhaus auswirken?

Wenn der Atlas seinen Zweck erfüllt und gut genutzt wird, wird er dazu führen, dass die Patient:innen sich damit das Krankenhaus ihrer Wahl aussuchen. Im Krankenhaus angekommen, werden sie wahrscheinlich mehr Fragen zu der behaupteten Qualität der Leistungen stellen als heute und sie werden von den behandelnden Ärzt:innen Antworten erwarten.

Sehen Sie sinnvollere Wege, um die Transparenz für die Patient:innen bei überschaubarem Aufwand für die Krankenhäuser zu erhöhen?

Der eingeschlagene Weg selbst ist durchaus sinnvoll. Essenziell wird sein, die Menschen nicht zu verwirren mit allzuviel wenig aussagekräftigen Informationen. Deshalb gilt es, den Patient:innen nur die wirklich wichtigen Informationen, diese aber belastbar, zur Verfügung zu stellen.

Zum Schluss: Was bedeutet der Krankenhaus-Atlas für die geplante Krankenhausreform und welche Aussagekraft hat er, wenn noch nicht einmal die künftige Krankenhausstruktur erkennbar ist?

Die Sorge der Verantwortlichen in den Krankenhäusern ist, dass es bei dem Krankenhaus-Atlas weniger darum geht, künftigen Patient:innen mehr Transparenz zu verschaffen, sondern man vielmehr anstrebt, künftige Krankenhausplanungssystematik festzuschreiben. Sollte das so sein, wird das die Vertrauenswürdigkeit des Atlas negativ beeinflussen.

„Ich glaube, hier bräuchte es weniger staatliche Regelung und mehr Vertrauen in die Kräfte des Wettbewerbs“

Den Laien interessiert Krankenhausplanung nicht, er ist an verständlicher, gut zugänglicher und belastbarer Information über die Leistungen und deren Organisation interessiert. Sollten die Bürger:innen feststellen, dass ihr Wunsch nach Informationen nur benutzt wurde, um andere Zwecke zu verfolgen, wird darin das Potenzial stecken, jegliches Vertrauen der Menschen in den Krankenhaus-Atlas zu zerstören.

Daher täten wir gut daran, die Verantwortlichkeiten für die Themen Qualitätstransparenz und Krankenhausplanung deutlicher voneinander zu trennen. Ein Krankenhaus, das seine Kompetenzen und Stärken nicht transparent, verständlich, belastbar und vergleichbar kommuniziert, wird in Zeiten von Internet und Social Media doch schon heute durch Patient:innen, niedergelassene Kolleg:innen oder auch die klassischen Medien ignoriert. Ich glaube, hier bräuchte es weniger staatliche Regelung und mehr Vertrauen in die Kräfte des Wettbewerbs. 

Dr. med. Dirk Albrecht ist stellvertretender Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland sowie Vorsitzender der Geschäftsführung der Contilia GmbH mit Sitz in Essen. 

Titelfoto: charnchai saeheng / stock.adobe.com

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