Ausgabe 4 / 19. Dezember 2024
Zwischen Reform und Realität: Wie Krankenhäuser gestärkt werden können
Die bundesweite Krankenhausreform zielt auf eine Verbesserung der Versorgung ab, doch viele Vorgaben sind praxisfern und belasten die Einrichtungen zusätzlich. Ein Einblick aus der Perspektive der Alexianer, einer der größten konfessionellen Träger Deutschlands.
Von Dr. Charlotte Lütke Daldrup, Kerstin Thiem und Helena Weiß
Eine Reform mit Zielkonflikten
Die Krankenhauslandschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen: Mit Leistungsgruppen und strukturellen Vorgaben sollen die Qualität der Versorgung gesteigert und Überkapazitäten abgebaut werden. In der Praxis entstehen jedoch Zielkonflikte und Unsicherheiten – vor allem für kleinere und spezialisierte Häuser.
Als einer der führenden konfessionellen Träger erleben wir Alexianer die Folgen dieser Reform hautnah. Unsere zentrale Sorge gilt der Versorgungssicherheit und der Qualität für die Patient:innen, die auf uns vertrauen.
Leistungsgruppen – Guter Ansatz, aber Risiko für die Versorgungssicherheit
Wir begrüßen die Idee, Kompetenzen zu bündeln und Schwerpunkte zu setzen – besonders in Ballungsräumen. Doch starre Vorgaben, wie es sie vor allem innerhalb spezialisierter Leistungsgruppen wie der Gefäßchirurgie gibt, sind für viele kleinere und mittlere Krankenhäuser weder wirtschaftlich umsetzbar noch förderlich für die Qualität.
Woher sollen zusätzlichen Fachärzte kommen?
Die neu geschaffenen hohen Anforderungen an die Facharztausstattung werden bei einer Vorhaltevergütung auf Basis der durchschnittlichen Kostendaten der Vergangenheit nicht nur nicht ausreichend berücksichtigt, es stellt sich auch die Frage, woher die Fachärzte bei bestehendem Fachkräftemangel kommen sollen.
„Du kannst nicht was, was Du nicht hast, verteilen“, urteilte treffend auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Rahmen des KGNW-Forums Mitte Dezember. Würden zum Beispiel die Forderungen für die Notfallmedizin konsequent für die Leistungsgruppenzuweisung umgesetzt, bestünde die Gefahr einer deutlichen Einschränkung der Notfallversorgung der Bevölkerung.
Finanzierung und Vorhaltekosten – eine Paradoxie
Das System der Vorhaltevergütung verfolgt laut dem Bundesgesundheitsministerium das Ziel, Mengenanreize zu reduzieren, schafft jedoch neue mengenbezogene Fehlanreize: Das Erreichen einer gewissen Leistungsmenge bleibt Voraussetzung für eine ausreichende Finanzierung und selbst die normale Schwankung der Fallzahlen kann den Versorgungsauftrag gefährden.
Eine Besonderheit betrifft auch die neue 20 Prozent-Hürde, die erst erreicht werden muss, um zu einer Steigerung der Vorhaltevergütung zu führen. Gerade Häuser mit kleineren Fallzahlen haben somit mehr Anreiz zur Leistungsausweitung als große spezialisierte Häuser, an denen die Leistungskonzentration nach dem Konzept des Gesetzes ja aber erwünscht wäre.
Finanzierung muss gerechter und planbarer werden
Stattdessen besteht für diese ein Anreiz am unteren Rand des Korridors der 20 Prozent-Grenze zu agieren und damit potentiell trotz Minderleistungen gleiche Einnahmen bei weniger Kosten zu erzielen, was die Versorgungsituation für Patient:innen aber deutlich negativ beeinflussen kann.
Insgesamt muss die Finanzierung gerechter und planbarer werden, um die Versorgung in der Fläche sicher zu stellen, besonders auch vor dem Hintergrund der Ungleichbehandlung freigemeinnütziger und kommunaler Träger. Letztere werden bei Finanzierungproblemen zu oft durch Steuergelder auf Kosten der Bevölkerung gerettet. Der Schuldenerlass für die Kliniken der Stadt Köln zusammen mit großzügigen Fördermitteln ist nur ein Beispiel von vielen.
Bürokratie und Innovation – Hemmnisse abbauen
Aktuell finden bereits vielfältige Überprüfungen der Strukturmerkmale von Krankenhäusern statt. Es werden erlösrelevante Strukturprozeduren sowie G-BA Richtlinien in aufwändigen Verfahren durch den Medizinischen Dienst (MD) überprüft. Diese Verfahren binden nicht nur das Personal in den Verwaltungen der Krankenhäuser, sondern auch die behandelnden Ärzte, die an der Vorbereitung der Strukturprüfungen beteiligt sind. Nun kommen noch weitere, in der Anzahl erhebliche, Strukturprüfungen auf die Krankenhäuser zu.
Ein weiteres Beispiel für den zunehmenden bürokratischen Aufwand zeichnet sich dadurch aus, dass in unterschiedlichen Strukturmerkmalsprüfungen bisher dieselben Unterlagen eingereicht werden müssen – ohne erkennbaren Mehrwert für die Patientenversorgung. Hier stellt das Gesetz eine Verbesserung in Aussicht. Fraglich bleibt, ob diese konkret Verbesserungen für die Kliniken beinhalten wird.
Telemedizin wird unnötig blockiert
In den ersten Gesetzesentwürfen war geplant, im Gegenzug zu dem zusätzlichen Aufwand in den Strukturmerkmalsprüfungen MD-Einzelfallprüfungen zu reduzieren. Damit sollten die Kliniken entlastet werden – diese sind jedenfalls in derselben Menge weiterhin geplant.
Auch innovative Ansätze wie die Telemedizin werden unnötig blockiert. In einem großen Klinikverbund wie den Alexianern könnten telemedizinische Leistungen standortübergreifend effizient angeboten werden. Doch bisher fehlt es an geeigneten Regelungen, um solche modernen trägerinternen und überregionalen Versorgungslösungen zu fördern und anzuerkennen.
Die Rolle der Alexianer – Werteorientierung und Versorgungssicherheit
Wir Alexianer stehen mit einem breiten Angebot für Gesundheit, Pflege, Betreuung und Förderungen von Menschen. In allen Bereichen leben wir ein christliches Profil, das sich in einer besonderen Beziehungsqualität mit Patient:innen und Klient:innen zeigt.
Werte bieten Orientierung
Diese Werte schaffen nicht nur Vertrauen, sondern bieten auch in der aktuellen Reformdiskussion Orientierung: Wir verbinden moderne Medizin mit einer sinnorientierten Versorgung, die klar auf die Bedürfnisse der Patient:innen ausgerichtet ist.
Durch Vernetzung unserer Einrichtungen tragen wir aktiv zur Bündelung von Kompetenzen bei und unterstützen die grundsätzlichen Ziele der Reform. Wir glauben, dass solche Modelle die Zukunft der Krankenhauslandschaft positiv prägen können – wenn politische Entscheidungen Trägervielfalt und regionale Versorgung unterstützen.
Dr. Charlotte Lütke Daldrup ist Leitung Medizin, Kerstin Thiem Leitung Medizincontrolling und Patientenabrechnung und Helena Weiß Leitung Klinisches Qualitätsmanagement der Alexianer Gruppe
Fotos: Alexianer, stock.adobe.com/Wolfilser