Ausgabe 6 / 4. Juli 2025

Vom Akuthaus zum Gesundheitscampus
In Hermeskeil hat die Marienhaus-Gruppe einen defizitären Krankenhausstandort in ein sektorenübergreifendes Modell überführt. Anke Klauck im Gespräch über Umsetzung, Personalbindung und nötige finanzielle Rahmenbedingungen.
Über Jahrzehnte war das St. Josef-Krankenhaus in Hermeskeil ein Haus der Grund- und Regelversorgung, zuletzt mit rund 110 Betten in Innerer Medizin, Chirurgie und mit einer psychiatrischen Tagesklinik. Die Einrichtung der Marienhaus-Gruppe schrieb dabei über Jahre hinweg Defizite; der Betrieb konnte nur durch Sicherstellungszuschläge und Unterstützungen innerhalb des eigenen Verbundes aufrechterhalten werden.
Noch vor der anstehenden Krankenhausreform entschied sich der Träger zu einem strukturellen Neustart. Im Jahr 2024 wurde das Haus vollständig neu organisiert. Entstanden ist ein Gesundheitscampus, der stationäre, rehabilitative und ambulante Versorgung in neuer Form zusammenführt.

„Wir mussten umsteuern und haben uns auf den Weg gemacht, obwohl wichtige Finanzierungsfragen bis heute nicht genau geklärt sind“, sagt Anke Klauck, Mitglied der Geschäftsführung der Marienhaus Kliniken und verantwortlich für den Standort Hermeskeil. Das Konzept, so Klauck, sei bewusst aus dem Träger heraus entwickelt worden – mit finanzieller Unterstützung durch den alten Strukturfonds und ausgerichtet an den Versorgungsbedarfen in der Region.
Vom Defizitstandort zum Campus-Modell
Im Zentrum des neuen Konzepts steht ein sektorenübergreifender Gesundheitscampus. Aus dem klassischen Krankenhausbetrieb wurde eine Einrichtung mit mehreren eng verzahnten Bausteinen: eine interdisziplinäre Station für Innere Medizin und Chirurgie mit 20 Betten, ein ambulantes OP-Zentrum, ein Medizinisches Versorgungszentrum mit sechs Fachrichtungen (Chirurgie, Innere Medizin, Anästhesie, Neurologie, Psychiatrie, Allgemeinmedizin), eine Tagesklinik für Psychiatrie und Psychosomatik sowie eine geriatrische Reha mit 70 Betten. Ergänzend dazu soll noch eine Kurzzeitpflege zur Herstellung der Reha-Fähigkeit älterer Menschen entstehen. „Wir wollten die Fit-for-Reha, wie wir es genannt haben, unmittelbar mit aufbauen. Dafür müssen aber noch einige Baumaßnahmen abgeschlossen werden“, erklärt Klauck pragmatisch.
Ergänzt wird das Angebot schließlich durch eine therapeutische Praxis für Physio-, Ergo- und Logopädie, die neben dem Campus auch grundsätzlich für die Bevölkerung der Region zur Verfügung steht.
Auch wenn die Notaufnahme geschlossen wurde, ist die Notfallversorgung tagsüber über das MVZ abgesichert. Zur Erstversorgung steht für eigenständig eintreffende Patient:innen ein spezielles Aufnahmezimmer zur Verfügung. Der Notarztstandort blieb erhalten und wird weiterhin durch Marienhaus-Ärzt:innen sowie Kolleg:innen des Kooperationspartners Mutterhaus Trier personalisiert. Der Landkreis hat ergänzend ein zweites Fahrzeug bereitgestellt.
Strukturumbau mit Bestandspersonal
Ein wichtiges Ziel war es, möglichst viele Mitarbeitende am Standort zu halten. Gerade in der Pflege war dies eine Herausforderung. Viele Pflegekräfte, die zuvor lange in fachgebundenen Bereichen wie Innerer Medizin oder Chirurgie gearbeitet hatten, wechselten in die geriatrische Reha, was eine deutliche Umstellung in der Arbeitsweise erforderte. „Das war kein leichter Übergang“, sagt Klauck. „Aber viele haben sich darauf eingelassen – auch, weil wir deutlich gemacht haben, dass wir Perspektiven vor Ort schaffen wollen.“ Auch OP-, Anästhesie- und medizinisches Fachpersonal blieb dem Haus erhalten. Die ärztliche Versorgung wurde neu organisiert: Teilweise arbeiten Ärzt:innen gleichzeitig im MVZ und im stationären Bereich. Das erhöht die Flexibilität und macht den Standort für das Personal attraktiver.
„Der Standort funktioniert als Gesamtpaket. Die einzelnen Elemente greifen strukturell und wirtschaftlich ineinander.“
Täglich werden nun in Hermeskeil ambulante Operationen durchgeführt – durch Fachärzt:innen aus dem eigenen MVZ sowie durch Kolleg:innen aus dem Mutterhaus der Borromäerinnen Trier – der regionale Kooperationspartner der Marienhaus-Gruppe. Darüber hinaus kooperiert der Campus mit weiteren externen Partnern aus der Region, etwa dem Orthopädikum Trier. Die ambulanten Angebote erhöhen die Wirtschaftlichkeit, gleichzeitig bleibt eine stationäre Infrastruktur erhalten – etwa für Nachsorge, Eingriffe mit erhöhtem Risiko oder Komplikationen. Diese stationäre Komponente ist notwendig, um die Abläufe sicher und medizinisch verlässlich zu gestalten.
Vernetzte Leistungen und abgestufte Versorgung
Über die engere Vernetzung innerhalb der Marienhaus-Gruppe lassen sich medizinische Leistungen, personelle Ressourcen und organisatorische Prozesse standortübergreifend sowie in den unterschiedlichen Bereichen wie MVZ, Klinikbereich oder Reha abstimmen. So entsteht ein ineinandergreifendes Versorgungsnetzwerk, in dem zum Beispiel Patient:innen nach einer Akutversorgung im Mutterhaus Trier nach einigen Tagen nach Hermeskeil verlegt und wohnortnah weiter versorgt werden können. Das schafft in der Maximalversorgung in Trier zusätzliche OP-Kapazitäten für komplexere Eingriffe und trägt gleichzeitig in Hermeskeil zur besseren Auslastung bei.
„Der Standort funktioniert als Gesamtpaket“, so Klauck. „Die einzelnen Elemente greifen strukturell und wirtschaftlich ineinander. Das hätte ein kleiner Träger allein in dieser Tiefe kaum stemmen können. Erst die Verbundstruktur hat uns dafür die nötigen Handlungsspielräume eröffnet. Und so kann auch Ambulantisierung funktionieren: wenn Prozesse, Struktur und Absicherung stimmen. Ohne stationäres Back-up wäre das in dieser Form nicht leistbar.“
Aus der Bevölkerung und von Hausärzt:innen in der Region gab es zunächst Skepsis – vor allem zur Frage, ob die stationäre Versorgung nach der Schließung der Notaufnahme verlässlich bleibt. „Wir haben sehr bewusst auf direkte Kommunikation gesetzt mit regelmäßigen Veranstaltungen und Veröffentlichungen, Gesprächen mit Zuweisenden und klaren Ansprechpartnern. Das war aufwändig, aber notwendig“, so Klauck.
Kommunikation, Finanzierung und politische Erwartungen
Inzwischen zeigt sich: Die Umstellung ist angekommen. Die Belegung des Hauses ist heute höher als vor dem Umbau. Ziel ist, dass sich der Campus als Gesamtstruktur mittelfristig selbst trägt – von der Reha über das MVZ bis zum stationären Bereich. „Aber aktuell bleiben wirtschaftliche Fragen offen – gerade im Krankenhaussegment“, bemängelt Klauck.
Grundsätzlich attestiert Anke Klauck: „Ein Kleinkrankenhaus wie Hermeskeil mit Grund- und Regelversorgung allein ist wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Auch unser stationärer Bereich mit 20 Betten allein lässt sich dauerhaft nicht kostendeckend betreiben – die Tragfähigkeit entsteht nur im Verbund mit Reha, MVZ und ambulanten Leistungen.“ Für eine langfristige Tragfähigkeit braucht es aus ihrer Sicht verbindliche politische und finanzielle Rahmenbedingungen – insbesondere im Hinblick auf die Vorhaltefinanzierung. Noch sei unklar, wie sich Tagessätze für kleinere stationäre Einheiten gestalten werden und welche Methodik der Berechnung zugrunde liegt. Auch die Verlässlichkeit der Fallzahlen für Leistungsgruppen bleibe derzeit offen.
„Für kleinere Einheiten wie in Hermeskeil muss das System berechenbar sein – nicht nur rückblickend, sondern auch vorausschauend.“
„Wir hoffen auf eine sachgerechte Vorhaltefinanzierung – mit realistischen Tagessätzen und nachvollziehbaren Kalkulationsgrundlagen“, sagt Klauck. „Für kleinere Einheiten insbesondere in ländlichen Strukturen wie in Hermeskeil muss das System berechenbar sein – nicht nur rückblickend, sondern auch vorausschauend.“ Auch die Rolle der Länder bei der Zuweisung der Leistungsgruppen sei entscheidend. Klauck mahnt an, dass die Ausgestaltung nicht zu zusätzlichen regionalen Ungleichgewichten führen dürfe. „Wir haben uns frühzeitig bewegt – aber viele werden abwarten, bis die Details klar sind. Dafür braucht es Verlässlichkeit, nicht nur Prinzipien.“
Anke Klauck ist Co-Geschäftsführerin Marienhaus Kliniken GmbH, die innerhalb der Marienhaus-Gruppe Trägerin von zehn Krankenhäusern an 16 Standorten ist.
Fotos: Marienhaus / Joachim Gies