Ausgabe 5 / 2. April 2025

Übergänge aus Patientenperspektive aktiv managen
Sektorengrenzen durchlässiger machen – das gelingt in Einrichtungen der St. Franziskus-Stiftung auf ganz verschiedene Art. Philipp Potratz, Leiter für angewandte Versorgungsforschung, berichtet von beispielhaften Projekten.
Die Organisation von Schnittstellen im Gesundheitswesen ist eine zentrale Herausforderung. Gerade Komplexträger, die sämtliche Versorgungsbereiche der ambulanten und stationären Medizin, Kurzzeit- und Langzeitpflege sowie verschiedener Therapieformen vereinen, können hier wirksame Konzepte entwickeln.
Entscheidend ist dabei nicht nur die strukturelle Vernetzung, sondern auch ein abgestimmtes und aktives Management der Übergänge zum Wohle der Patient:innen. Die Franziskus-Stiftung nutzt dabei – abhängig von regionalen Gegebenheiten und medizinischen Erfordernissen – verschiedene Ansätze. Dazu einige Beispiele:

Verbindung der Versorgungssektoren mit einer digitalen Fallakte und einem koordinierenden Fallmanagement: Projekt „eliPfad“
Die St. Franziskus Stiftung Münster ist Konsortialpartner des vom Innovationsfonds des G-BA geförderten Projektes und beteiligt sich mit dem St. Franziskus-Hospital Münster und dem Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup an der neuen Versorgungsform. Es soll verhindern, dass ältere, multimorbide Patient:innen nach einer Krankenhausentlassung durch eine spontane Verschlechterung der Krankheitssituation erneut eingewiesen werden müssen.
Dazu entwickelt ein Team aus Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen und Pflegefachkräften mit einer Zusatzweiterbildung als Fallmanager:innen bereits während des stationären Aufenthalts einen individuellen Behandlungsplan, in den die Hausärzt:innen von Beginn an eingebunden sind. Eine elektronische Fallakte ermöglicht die wechselseitige Abstimmung. Durch ein gemeinsames Entlassmanagement können Bedarfe etwa zur Medikation geklärt und Informationsverluste vermieden werden, die Versorgung geht nahtlos ineinander über.
Verhindern, dass Patient:innen erneut eingewiesen werden müssen
Anschließend erhalten die Patient:innen ein Tablet mit Übungen zur Mobilisation sowie individuelle Informationen zu Medikation und dem Umgang mit ihren Erkrankungen. Ein Blutdruckmessgerät, eine Waage und weitere Smart Devices übermitteln täglich Messwerte automatisch an die digitale Fallakte; behandelnde Ärzt:innen erhalten wöchentliche Berichte.
Fallmanager:innen begleiten die Patient:innen über sechs Wochen hinweg, zunächst per Hausbesuch und später per Telefon bzw. Video. Erste Auswertungen zeigen, dass Patient:innen weniger Komplikationen erleiden, sich durch die strukturierte Begleitung sicherer fühlen und auf auffällige Vitalparameter schnell reagiert werden kann. Niedergelassene Ärzt:innen bewerten die frühzeitige und transparente Kommunikation und den reibungslosen Übergang in die Weiterversorgung als positiv und unterstützend.
Abgestimmtes Vorgehen mit Niedergelassenen: „Franziskus Viszeralmedizin Münster“
Das St. Franziskus-Hospital Münster und das Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup stehen zudem in einer besonderen Kooperation: In der „Franziskus Viszeralmedizin Münster“ arbeiten Spezialist:innen für Gastroenterologie und Viszeralchirurgie der zwei Häuser in gemeinsamen Sprechstunden, Televisiten und Tumorkonferenzen zusammen und können so standortübergreifend interdisziplinäre Therapieentscheidungen fällen. Damit erhalten Patient:innen die Expertise für hochkomplexe onkologische Viszeralchirurgie der jeweiligen Fachabteilungen, unabhängig davon, in welchem Haus sie sich vorstellen.
Sehr eng ist auch die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzt:innen. Patientendaten, Untersuchungsbefunde, Tumorkonferenzbefunde oder Arztbriefe werden zeitgerecht ausgetauscht, Fortbildungen angeboten. Durch das zügige und abgestimmte Vorgehen profitieren die Patient:innen von einer koordinierten Vorsorge, einer reibungslosen prä- und postoperativen Betreuung und schließlich einer strukturierten Nachsorge.
Viele Disziplinen an einem Ort: MarienCampus Lüdinghausen
Mit breiter politischer Unterstützung konnte 2017 in Lüdinghausen in einem Neubau unmittelbar neben dem St. Marien-Hospital der MarienCampus mit ambulanten Angeboten in zahlreichen Facharztpraxen, Therapiezentren und einer Apotheke öffnen. Die gesamte niedergelassene Ärzteschaft der Stadt ist hierher umgezogen. Das St. Marien-Hospital ist ein Haus der Grund- und Regelversorgung mit einem Zentrum für Akutgeriatrie und Geriatrische Rehabilitation sowie einem MVZ für Chirurgie und Innere Medizin. Fachärzt:innen der angrenzenden Praxen können bei Bedarf als Konsilärzt:innen unkompliziert beratend hinzugezogen werden.

Vorteile des Campus-Konzepts liegen in der engen Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen mit kurzen Wegen sowie schlanker Verwaltung. Die handelnden Personen kennen einander, es gibt einen regelmäßigen interdisziplinären Austausch, was in das wechselseitige Vertrauen einzahlt. Gemeinsam genutzte Ressourcen wie Geräte, Räume und Personal helfen, Kosten zu sparen. Vom Patienten her gedacht ermöglicht die räumliche Nähe vor allem den schnellen Zugang zu verschiedenen Fachgebieten. Sie verhindert Doppeluntersuchungen und erleichtert bei Bedarf die Übergänge zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.
Fast-Track-Chirurgie mit prä- und postoperativer Beratung: BENO
Fast-Track-Methoden können, richtig eingesetzt, ebenfalls Motoren für optimierte Versorgungsstrukturen sein. Das St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort ist zertifiziertes Fast-Track Zentrum. Hier wird eine speziell angepasste Methode bei geplanten Darmoperationen angewendet: „BENO“ (Bessere Erholung Nach Operationen). Dabei erfolgt schon vor der Operation eine ausführliche Beratung. Zum Einsatz kommen schonende Operationsmethoden. Eine frühzeitige Nahrungsaufnahme und Bewegungstherapie sowie eine individuelle Schmerzbehandlung, der Verzicht auf nicht zwingend notwendige medizinische Hilfsmittel wie Drainageschläuche und der maßvolle Einsatz von Infusionen erlauben den Patient:innen frühzeitige Entlassungen. Die anschließende Betreuung zu Hause wird durch speziell geschulte BENO-Assistent:innen gewährleistet. Mit diesem Verfahren hat sich die Komplikationsrate reduziert, die Verweildauer wurde verkürzt und der Heilungsprozess der Patient:innen deutlich beschleunigt.
Praxiswissen statt Einheitsvorgaben
Diese Beispiele verdeutlichen, dass es nicht die eine Lösung für die sektorenübergreifende Versorgung gibt, sondern unterschiedliche Modelle je nach Struktur, Fachgebiet und regionalen Gegebenheiten möglich sind. Entscheidend bleiben jedoch in allen Fällen eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Akteuren und eine konsequente Patientenorientierung. Ein Schlüssel in allen Versorgungsformen liegt in einer transparenten und vertrauensvollen Kommunikation, um vorhandene Potenziale optimal zu nutzen. Gleichwohl ist es unerlässlich, praxistaugliche Rahmenbedingungen auf Bundesebene zu implementieren. Es wäre zielführend, wenn die künftige Bundesregierung dafür das vorhandene Praxiswissen nutzen würde, statt unpraktikable und bürokratische Einheitsvorgaben zu machen, die patientenorientierte Versorgungsformen erschweren.
Philipp Potratz ist Leiter „Forschung & Entwicklung – Zentrum für Klinische Studien und angewandte Versorgungsforschung“ der St. Franziskus-Stiftung Münster.
Fotos: St. Franziskus-Stiftung Münster