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Die Katholischen Krankenhäuser - Unverzichtbar menschlich

Ausgabe 5 / 2. April 2025

Stambulant geht nur mit regionalen Lösungen

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Das KHVVG berücksichtigt die Anforderungen eines Flächenlandes oft nicht. Michael Zaske vom Gesundheitsministerium Brandenburg über fehlende Planungssicherheit, nötige Flexibilität und die Einbindung aller Beteiligten.

Herr Zaske, wie würden Sie die aktuelle Lage der Gesundheitsversorgung in Brandenburg beschreiben?

Michael Zaske: Wir haben eine herausfordernde Situation. Vier von fünf Krankenhäusern schreiben rote Zahlen, einige sogar im zweistelligen Millionenbereich. Viele befinden sich nur nicht in der Planinsolvenz und können nur weiter betrieben werden, weil Gesellschafter wie Kommunen, Landkreise oder Kirchen und Private die Defizite ausgleichen. Das kann aber nicht endlos so weitergehen. Wir brauchen eine bessere Betriebskostenfinanzierung durch den Bund, aber auch strukturelle Veränderungen, um die Versorgung zukunftssicher aufzustellen.

Die Landesregierung hat angekündigt, alle Krankenhausstandorte als Orte der regionalen Gesundheitsversorgung erhalten zu wollen. Wie soll das gelingen?

Michael Zaske: Nicht jedes Krankenhaus wird unverändert bestehen bleiben, aber an jedem aktuellen Krankenhausstandort wird die Versorgung nach dem regionalen Bedarf ausgerichtet. Nicht überall wird es weiterhin alle stationären Leistungen geben. Wir befinden uns in einem engen Beteiligungsprozess mit den regionalen Akteuren und haben umfassende Versorgungsbedarfsanalysen durchgeführt – stationär, ambulant und auch in der Pflege. Daraus leiten wir ab, welche Angebote an welchen Standorten realistisch und notwendig sind.

„Reformen funktionieren nur, wenn alle Beteiligten eingebunden werden“

Wie binden Sie die Akteure vor Ort in diesen Prozess ein?

Michael Zaske: Unser Ansatz heißt „Triple G – Gesundheit gemeinsam gestalten“. Reformen funktionieren nur, wenn alle Beteiligten eingebunden werden. Deshalb führen wir aktuell fünf Regionalkonferenzen durch, in denen wir unsere Analysen transparent machen, die Planungen vorstellen und gemeinsam mit den Akteuren Lösungen erarbeiten. Nur durch eine enge Zusammenarbeit können wir eine tragfähige Gesundheitsversorgung für die Zukunft sichern.

Ein zentrales Stichwort ist „stambulantes Denken“. Was bedeutet das konkret?

Michael Zaske: Es bedeutet, dass wir sektorenübergreifend planen, budgetieren und finanzieren müssen. Die bisherige Trennung von ambulant und stationär erschwert eine bedarfsgerechte Versorgung. Wir in Brandenburg wollen die Ambulantisierung aktiv gestalten, indem wir freiwillige Vereinbarungen zwischen den Selbstverwaltungspartnern und dem Land schließen. Ein gutes Beispiel ist unser langjähriges Modellprojekt in Templin. Dort haben wir zumTeil erfolgreich erprobt, aber auch wertvolle Erfahrungen gesammelt, wie ambulante und stationäre Strukturen sinnvoll verzahnt werden können. Jetzt geht es darum, solche Konzepte flächendeckend standortbezogen in die Praxis zu überführen.

„Die Regelung der akuten Notfallversorgung ist seit Jahren überfällig“

Das KHVVG sieht sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen vor. Deckt sich das mit Ihren Plänen für Brandenburg?

Michael Zaske: Grundsätzlich ja, das Modell geht in die richtige Richtung. Allerdings gibt es noch erhebliche Unsicherheiten. Bis heute steht nicht fest, welche Leistungen dort genau erbracht werden dürfen oder wie die Finanzierung konkret aussehen soll. Ohne diese Klarheit lassen sich aber keine tragfähigen Versorgungs- und Geschäftsmodelle aufbauen. Ein weiterer Punkt ist die Notfallversorgung. Bei uns sind von 54 Krankenhäusern allein 28 Sicherstellungsstandorte. Das sind sie nicht aus Spaß, sondern weil sie wegen der Flächenstruktur für die Notfallversorgung gebraucht werden. Die neuen sektorenübergreifenden Einrichtungen sind aber ohne Notfallversorgung geplant – das ist für ein Flächenland nicht überall praktikabel.

Das führt zur Frage nach der Notfallversorgung insgesamt. Welche Reformen sind hier aus Ihrer Sicht dringend erforderlich?

Michael Zaske: Die Regelung der akuten Notfallversorgung ist seit Jahren überfällig. Dazu gehört, dass die ambulante und stationäre Notfallversorgung gut verzahnt in den Regionen funktionieren können: von der Finanzierung und von der Manpower. Denn die Fachkräfte müssen ja überhaupt zur Verfügung stehen. Die Ideen zum obligatorischen Aufbau von integrierten Notfallzentren sind ein richtiger Weg. Doch der Vorschlag, integrierte Notfallzentren nur für große Einzugsgebiete mit etwa 500.000 Einwohnern zuzulassen, würde bedeuten, dass Brandenburg mit seinen zweieinhalb Millionen Einwohnern gerade einmal fünf solcher Zentren hätte. Dabei ist das Land fast so groß wie Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, es leuchtet sofort ein, dass das keinen Sinn macht. Stattdessen wäre es sinnvoll, die integrierten Notfallzentren flächendeckend aufbauen zu können.

„Die Länder brauchen Flexibilität, um auf strukturelle Besonderheiten reagieren zu können“



Das KHVVG wird von vielen Seiten als ambitioniert beschrieben. Halten Sie den Zeitplan für realistisch?

Michael Zaske: Die Krankenhausreform ist notwendig, aber die Zeitplanung der Verordnungen zum KHVVG gerät ins Wanken. Die Länder brauchen Flexibilität, um auf strukturelle Besonderheiten reagieren zu können. In Brandenburg haben wir uns darauf eingestellt, zum 1. Januar 2027 die neuen Leistungsgruppen verbindlich zuzuweisen. Sollte der Bund den Prozess verschieben, können wir das abfedern – aber jede Verzögerung sorgt für Unsicherheit in den Krankenhäusern.

Was fordern Sie von einer neuen Bundesregierung?

Michael Zaske: Drei Dinge sind zentral. Erstens eine bessere Betriebskostenfinanzierung, damit Krankenhäuser nicht weiter Defizite anhäufen. Zweitens muss der Transformationsfonds so gestaltet werden, dass der Bund seinen Anteil leistet. Drittens brauchen wir Flexibilität bei den Facharztvorgaben für die Leistungsgruppenverordnung. Die Vorgaben sind in manchen Regionen gar nicht zu erfüllen, weil es gar nicht so viele Fachkräfte gibt. Daher müssen die Länder die Möglichkeit haben, nach strukturellen Besonderheiten auch Ausnahmen zuzulassen. Es muss möglich sein, Kooperationen zuzulassen und flexiblere Lösungen zu finden, gerade wenn Fachärzt:innen sowohl ambulant als auch stationär tätig sind.

Michael Zaske ist Leiter der Abteilung Gesundheit im Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Brandenburg.

Fotos: Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Brandenburg (Porträt), stock.adobe.com/Maurice Tricatelle

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