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Die Katholischen Krankenhäuser - Unverzichtbar menschlich

Ausgabe 6 / 4. Juli 2025

Planungssicherheit? Fehlanzeige. Umsetzung? Fraglich.

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Von wegen Planungssicherheit: Die Vorhaltefinanzierung bringt neue Unsicherheiten – vor allem für die Versorgung in der Fläche. Ansgar Veer mit einer Einordnung aus dem Klinikalltag.

Cui bono?

Wer wird von diesem System profitieren? Die Vorhaltefinanzierung soll Entlastung schaffen – weniger ökonomischen Druck, mehr Planungssicherheit. Das ist das Versprechen.

Aber wenn ich als Geschäftsführer frage, was das für unsere Häuser konkret bedeutet, dann bleibt vieles offen. Wer profitiert tatsächlich? Wer wird entlastet und wodurch genau? Noch fehlt eine belastbare Grundlage, um diese Fragen für ein konkretes Krankenhaus seriös zu beantworten.


Die Reform rechnet erst einmal mit Leistungsdaten aus den Jahren 2023 und 2024. Genau in dieser Zeit flossen erhebliche Mittel über Energiekostenhilfen an die Krankenhäuser. Die inflationsbedingten Mehrkosten sind geblieben, sie sind aber nicht dauerhaft im Landesbasisfallwert berücksichtigt worden. Wird dieses nicht nachgeholt, bedeutet das: Die neue Finanzierung startet mit einer strukturellen Unterdeckung – und das wird fortgeschrieben.

Planbarkeit bleibt ein Problem

Was ab 2027 gelten soll, lässt sich für uns derzeit kaum praktisch umsetzen. Denn wie das Land das Vorhaltevolumen je Leistungsgruppe festlegt – und wie daran gekoppelt das InEK die Vorhaltevergütung anschließend auf die einzelnen Standorte verteilt – wird erst am 30. September 2025 bekannt sein. Die Leistungsgruppen sind zwar bekannt – aber die konkrete Zuweisung u. a. wegen festgelegter Mindestfallzahlen je Leistungsgruppe und Ausnahmen zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung, auf deren Basis das Vorhaltebudget ja berechnet wird, erfolgt erst mit kurzer Vorlaufzeit.

Festlegung der Budgets Ende November viel zu spät für fundierte Personalentscheidungen oder Investitionsplanungen

Das InEK wird die Budgets erst zum Ende November festlegen – viel zu spät für ein Krankenhaus, um fundierte Personalentscheidungen oder Investitionsplanungen für das Folgejahr zu treffen. Zudem bleiben die Parameter der Berechnungsgrundlagen unvorhersehbar. Wer weiß schon im Voraus, zu wieviel Neuzuweisungen zu Leistungsgruppen, Anpassungen von Mindestfallzahlen oder Krankenhaus- bzw. Fachabteilungsschließungen es kommen wird? Das bringt keine Planungssicherheit – im Gegenteil. Für verlässliche Planung und Steuerung fehlen den Krankenhäusern die Grundlagen. Die Mindestfallzahlregelung macht es zusätzlich schwierig: Wer die geforderte Fallzahl knapp verfehlt, verliert die Zuweisung – und damit wichtige Erlösbestandteile.

Keine kalkulierbare Vorhaltekostenlogik

In der jetzigen Form hat das System nichts mit einer verlässlichen Vorhaltekostenfinanzierung zu tun. Was wir bräuchten, wäre eine transparente Berechnung: Welche Personalstruktur, welche Dienstmodelle, welche Infrastruktur ist bzw. sind notwendig – und was kostet das? Stattdessen basiert das Vorhaltebudget auf Leistungsdaten der Vergangenheit. Es ist ein anderer Verteilschlüssel, aber kein anderer Systemansatz. Die Strukturvorgaben, die an die Leistungsgruppen geknüpft sind, sind zudem in Teilen fragwürdig: Eine chirurgische Abteilung muss plötzlich in mehrere Gruppen aufgespalten werden – mit jeweils eigener Personal- und Infrastrukturvorgabe. Leistungsgruppen eignen sich für eine Krankenhausplanung. Für die Berechnung einer Krankenhausfinanzierung halte ich sie aber für nicht geeignet. Statt 65 Leistungsgruppen mit oft künstlicher Trennung wäre es aus meiner Sicht sinnvoller gewesen, die 34 Facharztdisziplinen als Grundlage der Finanzierung zu nutzen. Sie entsprechen in aller Regel der Organisation von Fachabteilungen und sind planungslogisch konsistenter.

Versorgung in der Fläche bleibt unter Druck

Gerade ländliche, kleinere Häuser stehen künftig vor einem Problem. Die in vielen Leistungsgruppen geforderte Anzahl an Fachärzten ist in der Fläche häufig kaum darstellbar. Kooperative Lösungen etwa durch geteilte Dienste, Telemedizin oder trägerübergreifende Versorgung sind gesetzlich nicht vorgesehen und nur als Ausnahmenregelungen durch das Land möglich.

Fachkräftemangel durch Fehler im System verschärft

Die Vorhaltefinanzierung nach Leistungsgruppen setzt Voraussetzungen, die sich in urbanen Zentren vielleicht erfüllen lassen, in der Fläche aber nicht. Gleichzeitig fallen mit dem Verlust von Leistungsgruppen auch Ausbildungsabschnitte weg – das betrifft insbesondere die Facharztausbildung etwa in chirurgischen Fächern und macht Krankenhausstandorte unter Umständen für Ärzte unattraktiver. Wenn nun aber bestimmte Eingriffe nicht mehr erbracht werden dürfen, sind Weiterbildungen gefährdet, weil Nachwuchsmediziner die vorgegebenen Leistungskataloge nicht erfüllen können. So verschärft sich der Fachkräftemangel nicht nur durch Personallücken, sondern als Folge eines Systemfehlers. Cui bono? Sicher nicht dem kleineren Krankenhaus und der Versorgung in der Flächenregion.

Ambulantisierung und strukturelle Lücke

Die Einführung der Hybrid-DRGs führt dazu, dass Leistungen aus dem stationären Bereich verlagert werden – strukturell bleibt jedoch alles erhalten: Notfallversorgung, Personal, Infrastruktur. Wir rechnen mit sinkenden stationären Fallzahlen, aber nicht mit sinkendem Aufwand. Das Vorhaltebudget berücksichtigt diese Verlagerung bislang nicht adäquat. Das schafft eine strukturelle Lücke, weil die stationäre Infrastruktur weiter vorgehalten werden muss – ohne entsprechende dauerhafte Gegenfinanzierung.

Mehr Bürokratie, weniger Klarheit

Schon heute ist der Aufwand durch LOPS, STROPS und Dokumentationspflichten erheblich. Mit dem neuen System kommt eine zusätzliche Logik hinzu: Vorhaltebudget, Leistungsgruppen, Anpassungsmechanismen, neue MD-Prüfungen. Gerade kleinere Träger stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Statt Entlastung entsteht neue Komplexität. Die DRG-Logik war nicht perfekt, aber sie war bekannt. Das neue System verspricht Entlastung – tatsächlich entstehen neue Schnittstellen, neue Unsicherheiten, neue Risiken.

Fazit

Vor allem fehlt ein nachvollziehbares Finanzierungskonzept, das sich an realen Vorhaltekosten orientiert. Solange das nicht gegeben ist, bleibt der Nutzen der Reform für uns vor Ort fraglich. Was wir benötigen, ist nicht nur ein anderes Vergütungssystem, sondern ein verlässliches Steuerungsinstrument – mit Perspektive für Personal, Versorgung und Entwicklung.

Ansgar Veer ist Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius-Hospitalgesellschaft Lingen mit vier Allgemeinkrankenhäusern sowie ambulanten und stationären Einrichtungen der Altenpflege und Altenhilfe. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland.

Fotos: Bonifatius Hospital Lingen; Jens Jeske / Kath. Krankenhausverband (Porträt)

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