Ausgabe 6 / 4. Juli 2025

Neue Hürden für das Personal
Die Krankenhausreform verändert nicht nur Strukturen, sondern auch Personalanforderungen sowie Rahmenbedingungen für die Aus- und Weiterbildung. Zudem sorgt sie für weitere, sinnlose Bürokratie. Ein Interview mit Peggy Kaufmann
Strukturvorgaben und Personalsteuerung sollen eigentlich für mehr Qualität sorgen – in der Praxis aber erzeugen sie oft Reibungsverluste. Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden?
Peggy Kaufmann: Ein Beispiel dafür sind die Pflegepersonaluntergrenzen. Was grundsätzlich sinnvoll klingt, führt besonders in kleineren Häusern schnell zu realitätsfernen Vorgaben.
Unser Pflegedirektor würde das Personal zum Teil sicher anders einsetzen, als es starre Schlüssel vorsehen. Dabei geht es nicht darum, Personal einzusparen. Vielmehr orientiert sich Pflege an Nähe zum Patienten und nicht an Fachgrenzen.
In der Kombination mit weiteren Strukturvorgaben entsteht dann ein doppelter Druck: Wir sollen Personal und Strukturen vorhalten, unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Besonders in kleineren Häusern mit breitem Leistungsspektrum wird das organisatorisch und wirtschaftlich schnell zur Herausforderung.
Welche Auswirkungen könnten Strukturveränderungen und Ambulantisierung auf die ärztliche Weiterbildung haben?
Peggy Kaufmann: Zunächst einmal werden durch die neue Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen deutlich weniger Krankenhäuser das gesamte Spektrum einer Facharztausbildung abbilden können. Einzelne Abschnitte entfallen – und dann braucht es tragfähige Konzepte, wie Rotationen künftig organisiert werden. Besonders schwierig wird das für kleinere Häuser, die in diesen Prozessen nur punktuell beteiligt sind.
Ambulantisierung: Einbindung von Ärzt:innen in Weiterbildung wirtschaftlich kaum tragbar
Hinzu kommt: Die politisch gewollte Ambulantisierung steht in einem gewissen Widerspruch zur Weiterbildung. Ambulante Eingriffe sind auf Effizienz ausgelegt, sie werden meist von Fachärzt:innen erbracht. Für Ärzt:innen in der Weiterbildung ist dort wenig Raum. Und wenn sie doch eingebunden werden sollen, ist das wirtschaftlich kaum tragbar. Für uns entsteht damit ein strukturelles Dilemma: Wir sollen mehr ambulant leisten, haben dort aber bislang keine solide Grundlage, um den Nachwuchs mitzudenken – weder organisatorisch noch finanziell.
Wo erleben Sie im Personalbereich besonders hinderliche Bürokratie – und was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, um pragmatischer handeln zu können?
Peggy Kaufmann: Da können wir gleich bei der Aus- und Weiterbildung bleiben, und zwar bei den Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung. Diese Regelungen stammen ursprünglich aus Bereichen wie der Industrie und sollen Leiharbeitnehmer schützen, was sinnvoll ist. Doch wenn wir heute Pflegekräfte oder Ärzte für sechs Monate an ein anderes Krankenhaus delegieren, weil dort ein Teil der Fachweiterbildung stattfindet, dann greift das Gesetz auch hier – mit allen formalen Anforderungen. Es entstehen Meldepflichten und bürokratische Hürden, die weder den Beteiligten helfen noch der Sache dienen.
Absurde Situation in Aus- und Weiterbildung: Trotz festem Arbeitsvertrag gelten Regelungen der Arbeitnehmerüberlassung
Selbst ein fachpflegerisch sinnvolles Rotationsmodell für den Austausch von Pflegekräften mit einem Hospiz scheitert daran, wenn dieses keine Zulassung zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Dabei handelt es sich in der Regel um feste Mitarbeiter:innen mit gültigem Arbeitsvertrag, die für eine überschaubare Zeit an einem anderen Standort lernen sollen, und nicht um Leiharbeit im klassischen Sinn. Trotzdem brauchen alle beteiligten Kliniken eine Zulassung, müssen Merkblätter aushändigen, Einwilligungen einholen, Verträge prüfen. Das ist formal korrekt, aber praktisch absurd. Ein solcher bürokratischer Aufwand bindet Ressourcen, die wir im Versorgungsalltag an anderer Stelle bräuchten.
Ganz grundsätzlich: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit auch in der künftigen Krankenhauslandschaft ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht?
Peggy Kaufmann: Wir brauchen Arbeitsplätze mit klaren Aufgaben, stabilen Strukturen und menschlichem Miteinander. In katholischen Häusern ist die gelebte Zuwendung zum Patienten ein zentrales Element, und das wird auch von Mitarbeitenden geschätzt. Eine leistungsgerechte Vergütung gehört ebenfalls dazu. Wir haben in den vergangenen Jahren die Tarifverträge konsequent umgesetzt. Aber es ist eine Herausforderung, das dauerhaft zu finanzieren. Wichtig ist auch die Ausbildung: Bei unserem Haus in Leipzig etwa haben wir die Ausbildungskapazitäten in der Pflege bewusst verdoppelt. Und ich sehe großes Potenzial in der neuen bundeseinheitlichen Pflegefachassistenz – sie kann helfen, Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, die wir bisher nicht erreicht haben.

Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Pflegefachassistenz und die akademische Pflegeausbildung bei der Fachkräftesicherung?
Peggy Kaufmann: Beide Wege sind wichtig – und zwar ganz praktisch gedacht. Die Pflegefachassistenz kann helfen, mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen. Gerade für Quereinsteiger:innen oder Personen mit Sprachbarrieren ist das ein niedrigschwelliger Einstieg, der ihnen Perspektiven eröffnet. Das künftig bundeseinheitliche Berufsbild ist dafür ein richtiger Schritt.
Hebammenausbildung zeigt: Akademisierung der Pflege erhöht Attraktivität des Berufs deutlich
Gleichzeitig müssen wir die Akademisierung der Pflege weiter voranbringen. In Sachsen beispielsweise gibt es bislang kaum Studienangebote – dabei zeigt das Beispiel der Hebammenausbildung, wie positiv sich ein solcher Weg auswirken kann. Das Studium hat dort die Attraktivität des Berufs deutlich erhöht und neue Bewerber:innen angesprochen. Auch in der Pflege wäre mehr akademische Durchlässigkeit ein Gewinn – nicht für alle, aber für viele. Wir brauchen beides: gut begleitete Einstiege und klare Entwicklungspfade.
Wie beurteilen Sie das Potenzial des Pflegekompetenzgesetzes und wo sehen Sie Chancen und Grenzen für die Umsetzung im Alltag?
Peggy Kaufmann: Ich sehe in dem Gesetz eine echte Chance – weil es eine rechtliche Grundlage schafft für das, was Pflegefachpersonen heute schon leisten und fachlich bestens können. Bislang ist vieles aber nur durch ärztliche Delegation möglich und das macht Abläufe kompliziert. Im Krankenhausbereich wird die Umsetzung sicher gut funktionieren, wenn die rechtlichen Voraussetzungen stimmen. Noch deutlich größeres Potenzial sehe ich in der ambulanten Versorgung. In anderen Ländern übernehmen Gemeindeschwestern längst eigenverantwortlich Aufgaben, die bei uns noch ärztlich angebunden sind. Wenn wir diesen Weg gut begleiten, wird das auch bei uns funktionieren.
Peggy Kaufmann ist Geschäftsführerin am St. Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig und stellvertretende Vorsitzende des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland.
Fotos: St. Elisabeth-Krankenhaus; Jens Jeske / Kath. Krankenhausverband (Porträt)