Ausgabe 4 / 19. Dezember 2024

Mit Erfahrung, Kraft und Zuversicht bereit für den Wandel
Die katholischen Krankenhäuser wollen den Wandel der Kliniklandschaft aktiv mitgestalten. Welche Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben, darüber sprechen Dr. med. Dirk Albrecht, Peggy Kaufmann und Ansgar Veer vom Vorstand des Katholischen Krankenhausverbands.
Die Krankenhauslandschaft ist im Umbruch. Wie bewerten Sie dabei die aktuellen Herausforderungen und Chancen für die katholischen Krankenhäuser?
Dr. med. Dirk Albrecht (Foto): Die Krankenhauslandschaft insgesamt steht unter einem enormen wirtschaftlichen Druck. Das gilt damit auch für die katholischen Kliniken.
Gleichzeitig sind wir gerade in den Regionen stark vertreten, in denen der Bedarf an Strukturveränderungen besonders hoch ist, etwa in Nordrhein-Westfalen. Diesen Wandel wollen wir lösungsorientiert mitgestalten.
Als Unternehmen mit einer teilweise über 100-jährigen Geschichte haben wir eine große Veränderungsfähigkeit. So können wir aus dem Bestehenden das künftig Tragfähige machen.

Ansgar Veer: Das setzt aber auch voraus, dass die Leistungen aller Krankenhäuser auskömmlich finanziert werden. Derzeit ist das nicht der Fall. So haben die freigemeinnützigen Krankenhäuser aktuell weniger Luft zum Atmen als öffentliche Kliniken, die von den Kommunen finanziell gestützt werden.
Die Trägervielfalt im Gesundheitswesen hat sich bewährt. Sie sollte daher bei allen Veränderungen mitgedacht und gesichert werden.
Arbeit zwischen Leben und Tod, Freude und Angst
Was bringen die katholischen Träger an eigenem Profil und eigenen Schwerpunkten in die Gesundheitsversorgung ein?

Peggy Kaufmann (Foto): Individuelle Betreuung, Geborgenheit und ein achtsamer Umgang mit den Menschen sind den katholischen Krankenhäusern besonders wichtig. Das prägt die Haltung der Mitarbeitenden gegenüber den Patienten und den Kollegen in der Dienstgemeinschaft.
Unsere Arbeit findet zwischen Leben und Tod, zwischen Freude und Angst statt. Umso wichtiger ist es, die Patienten ganzheitlich zu sehen – körperlich, seelisch und sozial. Unsere Werteorientierung schafft zudem eine besondere Identifikation und Motivation, die sich positiv auf alle Bereiche unserer Arbeit auswirkt.
Dirk Albrecht: Das gilt im Übrigen auch für den unternehmerischen Blick der katholischen Krankenhäuser. Was und wie wir etwas tun, orientiert sich ganz stark am Sinn, konkret an den Fragen: Was wird gebraucht und was ist sinnvoll zu tun? Rückmeldungen zeigen, dass dies die Menschen auch spüren.
Seit September stehen Sie als Vorsitzenden-Team an der Spitze des Katholischen Krankenhausverbands. Welche Leitgedanken und Ziele stehen für Sie im Fokus?
Dirk Albrecht: Dieses Team zeichnet aus, dass wir aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Themen schauen. Das ist sehr gut. Für unsere Mitglieder soll der Verband weiterhin ein echter Mehrwert für das Handeln vor Ort sein. Deswegen ist uns ein intensiver Austausch sehr wichtig.
Gegenüber der Politik wollen wir die katholischen Krankenhäuser als unverzichtbaren Bestandteil der sozialen Infrastruktur sichtbarer machen. Gerade in Zeiten großer Umbrüche müssen wir unsere Rolle als breit aufgestellte, zuverlässige Versorger in den Regionen stärken. Und das geht weit über die medizinische Behandlung der Menschen in unseren Kliniken hinaus.
Gerade die katholischen Unternehmen haben in der Regel eine darüberhinausgehende herausragende Bedeutung beispielsweise als Träger von Senioreneinrichtungen oder auch in der Betreuung von Kindern. In diesem Netzwerk besitzen die katholischen Krankenhäuser eine Schlüsselfunktion.
Weniger Misstrauenskultur, weniger Reglementierung
Wie müssten sich in diesem Zusammenhang die Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden verbessern?
Peggy Kaufmann: Ihre Belastung ist vielfach enorm, vor allem durch die steigende Bürokratie. Ihnen fehlt es an Freiraum, um sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren zu können. Unsere Mitarbeitenden suchen sinnstiftende Arbeit, die sie ohne ständige Kontrolle und Bürokratie ausüben können.
Weniger Misstrauenskultur und weniger Reglementierungen seitens der Politik wären entscheidende Schritte, um Motivation und Arbeitsfreude zu stärken. Die aktuelle Krankenhausreform geht leider genau in die gegenteilige Richtung.
Wichtig ist uns außerdem, den Pflegeberuf weiter zu stärken, so dass die Menschen hier entsprechend ihren Kompetenzen mehr eigenständig arbeiten können. Die dafür notwendigen Gesetze müssen nun ebenfalls schnell kommen.
Mit der Krankenhausreform hat der Bund einen neuen Rahmen für die Krankenhausversorgung gesetzt. Wie bewerten Sie die Reform und wo gibt es Nachbesserungsbedarf?
Ansgar Veer (Foto): Die Reform hat noch viele offene Baustellen. Leistungsgruppen sind eigentlich als Planungselement für die regionale Gesundheitsversorgung gedacht, nicht aber als Grundlage für die Finanzierung.
Doch genau das versucht man nun umzusetzen, was zum Beispiel bei der Zuordnung der Fallpauschalen große Herausforderungen schafft.
Es ist die Aufgabe des Bundes, ein tragfähiges Finanzierungsmodell zu entwickeln. Doch das im Reformgesetz vorgesehene Modell für Vorhaltebudgets ersetzt alte durch neue Probleme.
Zudem fehlt es an einer Auswirkungsanalyse für die Reform …

Peggy Kaufmann: … und das sorgt in der Praxis für eine große Unsicherheit und viele offene Fragen! Die fehlende Klarheit bei den ausstehenden Verordnungen und über die finanzielle Ausgestaltung erschwert schlicht eine solide Planung.
Trägervielfalt ist essenziell
Gleichzeitig werden öffentliche Kliniken derzeit anders als freigemeinnützige und private Häuser von den Kommunen finanziell über Wasser gehalten. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Ansgar Veer: Das schafft ein Ungleichgewicht und verzerrt den Wettbewerb. Ein vor gut einem Jahr veröffentlichtes Rechtsgutachten zeigt, dass die aktuelle Praxis zudem gegen den Grundsatz der gesetzlich verankerten Trägerpluralität sowie gegen den sich daraus ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
Die Trägervielfalt ist essenziell, da sie Patienten Wahlfreiheit gibt und unterschiedliche Ansätze in der Versorgung ermöglicht. Diese Vielfalt gilt es zu bewahren, gerade weil freigemeinnützige Träger wie katholische Krankenhäuser eine besondere gemeinwohlorientierte Perspektive einbringen.
Am einfachsten gelingt das, indem alle Krankenhäuser gleichermaßen auskömmlich finanziert werden. Die Steuermittel, die die Kommunen derzeit in ihre Kliniken stecken, können sie dann für wichtige andere Infrastrukturprojekte vor Ort verwenden.
Aufgaben möglichst nah am Leben und den Menschen erledigen
Wo sehen Sie die katholischen Krankenhäuser in zehn Jahren, und welche politischen Weichenstellungen sind dafür notwendig?
Dirk Albrecht: Die katholischen Krankenhäuser haben sich über mehrere Generationen immer wieder an neue Rahmenbedingungen angepasst. Das gibt uns Erfahrung, Kraft und Zuversicht für die anstehenden Veränderungen.
Unser Sozialstaat basiert auf dem Prinzip der Subsidiarität. Aufgaben sollen möglichst nah am Leben und den Menschen vor Ort erledigt werden. Damit kennen wir uns aus. Und das ist wichtig, um auf unterschiedliche regionale Bedürfnisse reagieren zu können. Dafür erwarten wir politische Rückendeckung.
Peggy Kaufmann: Die gleiche Erwartung haben wir für eine Versorgung, die in Netzwerken und nicht länger nur entlang von Sektorengrenzen gedacht wird. Wir sind bereit, mit unseren breiten Leistungsangeboten auch weiterhin eine wichtige Rolle zu übernehmen.
Uns ist wichtig, dass sich die Menschen auch in zehn Jahren auf eine solide soziale Infrastruktur vor Ort verlassen können. Dafür engagieren wir uns mit unserer Flexibilität und der Sinnorientierung unseres Handelns.
Dr. med. Dirk Albrecht (Vorsitzender), Peggy Kaufmann und Ansgar Veer (beide stellvertretende Vorsitzende) bilden seit September 2024 die Führungsspitze des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland.
Dr. med Dirk Albrecht ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Contilia GmbH in Essen. Die Contilia ist gemeinnütziger Träger eines Gesundheitsnetzwerks mit rund 50 Einrichtungen im Ruhrgebiet.
Peggy Kaufmann ist Geschäftsführerin des St. Elisabeth-Krankenhauses in Leipzig, einem 1931 im Süden der Stadt gegründeten Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung.
Ansgar Veer ist Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius-Hospitalgesellschaft Lingen mit vier Allgemeinkrankenhäusern sowie ambulanten und stationären Einrichtungen der Altenpflege und Altenhilfe.
Fotos: Kath. Krankenhausverband/Jens Jeske