Ausgabe 3 / 20. Juni 2024
„Es kommt etwas in Bewegung, wenn man richtig darüber spricht“
Mit praktischen Handlungsvorschlägen an Politik, Verbände und Klinikleitungen will Prof. Dr. Frank Weidner vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) die Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben vorantreiben.
Was muss auf Ebene der Politik und der Fachverbände passieren, damit relevante Regelwerke sinnvoll im Sinne der Vorbehaltsaufgaben angepasst werden?
Frank Weidner: Wir haben mit den Ergebnissen der VAPiK-Studie einen Handlungsrahmen empfohlen, der die Zusammenhänge zu den Vorbehaltsaufgaben darstellt und den Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen Aufgaben zuweist, die jetzt zeitnah erledigt werden sollten.
Regelungen könnten im Pflegekompetenzgesetz erfolgen
Auf der Makroebene sollte die Politik im Bund und den Ländern eine Weiterentwicklung von relevanten Gesetzen und Verordnungen zum Leistungsrecht anpacken. So könnte beispielsweise im § 28 SGB V, in dem die ärztliche Behandlung auch unter Einbezug der „Hilfeleistung anderer Personen“ geregelt ist, ergänzt werden, dass „die Regelungen zu vorbehaltenden Tätigkeiten gem. § 4 Pflegeberufegesetz davon unberührt bleiben“. Ferner sollte dann auch im § 107 SGB V, in dem geregelt ist, dass Krankenhäuser „fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen“, eingeschoben werden, „und pflegefachlich unter ständiger pflegefachlicher Leitung“. Auch in den §§ 15, 37ff und 70 SGB V sollten noch entsprechende Ergänzungen vorgenommen werden.
Mehr bräuchte es zunächst gar nicht, damit in der Folge die weiteren Schritte leistungsrechtlich berücksichtigt und praktisch einfacher umgesetzt werden können. Dies und weiteres könnte im Zuge der Regelungen zum angekündigten Pflegekompetenzgesetz erfolgen. Beides – die Vorbehaltsaufgaben und das Pflegekompetenzgesetz – könnte ohne Zweifel die Pflege stärken und sie attraktiver machen und das ist schlussendlich gut für die Patienten!
Mit welchen Maßnahmen können Klinikleitungen die Durchsetzung der Vorbehaltsaufgaben als einen strukturierten Prozess voranbringen?
Weidner: Diese Frage ist genauso wichtig und bezieht sich auf die Mesoebene im VAPiK-Handlungsrahmen, also die Ebene der Führung und Verantwortung in Krankenhäusern. Auch wenn die eigentliche „Musik“ auf der Mikroebene, also der direkten Versorgung im Krankenhaus spielt, dort wo das Pflegepersonal mit anderen Leistungserbringern zusammen die Patientenversorgung sicherstellt, haben wir viele Hinweise bekommen, dass es sehr auf die Unterstützung durch die Leitungsebene ankommt.
Vorbehaltsrecht oft noch gar nicht bekannt
Eine zentrale Aufgabe für Klinikleitungen besteht etwa in der Klärung pflegeprozessualer Verantwortung in der Einrichtung, und zwar zusammen mit den Verantwortlichen der weiteren Leistungsbereiche, allen voran der Ärzteschaft. Da ist häufig noch gar nicht bekannt, dass es nun ein berufsrechtlich verankertes Vorbehaltsrecht der Pflege in der pflegeprozessualen Steuerung gibt. Weiterhin sollte zeitnah eine Überprüfung und Überarbeitung klinikinterner Regelungsgrundlagen veranlasst werden.
So wissen wir, dass das Entlassmanagement in den meisten Krankenhäusern regelhaft von der Ärzteschaft und mitunter vom Sozialdienst geführt wird. Eine dabei getroffene Feststellung eines (fort)bestehenden Pflegebedarfs etwa stellt aber nun einen Verstoß gegen das pflegerische Vorbehaltsrecht dar, wenn keine Pflegefachperson eingebunden ist.
Wie können Krankenhäuser bzw. Krankenhausverantwortliche fit gemacht werden, um diesen Prozess umzusetzen?
Weidner: In der Tat verwundert es, dass die Vorbehaltsaufgaben in den verschiedenen Praxisfeldern nicht wirklich vorankommen. Es mag damit zusammenhängen, dass die Missachtung der gesetzlichen Regelung meines Wissens bislang noch nicht geahndet wurde, obwohl die Sanktionsmöglichkeiten ja ebenfalls im Pflegeberufegesetz geregelt sind. Da steht unmissverständlich, dass Arbeitgeber, die Verstöße des Vorbehaltsrechts dulden, eine Ordnungswidrigkeit begehen, die mit einer Geldbuße von bis zu zehntausend Euro bestraft werden kann. Da kann im Wiederholungsfall schnell eine höhere Summe zusammenkommen.
DIP-Institut plant Webinar-Reihe
Zugleich haben wir gesehen, wie gut der gemeinsame Lernprozess mit Pflegefachleuten zur Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben während der Workshops der VAPiK-Studie gelungen ist. Schon da wurde sichtbar, dass etwas in Bewegung kommt, wenn man mal richtig darüber spricht.
Kurzum, wir haben im DIP-Institut überlegt, wie wir diese anstehenden Umsetzungsprozesse mit unserem Knowhow unterstützen können und planen dazu eine VAP-Webinar-Reihe (VAP steht dabei für „Vorbehaltsaufgaben der Pflege“). Zielgruppen soll ausdrücklich Leitungen in Krankenhäusern, aber auch aus der stationären Langzeitpflege sein, Fachkräfte aus den verschiedenen Einrichtungen und nicht zuletzt auch Lehrkräfte und Praxisanleitende, von denen uns zunehmend Anfragen erreichen.
Weitere Informationen dazu findet man jetzt schon unter www.vapik.de. Wir freuen uns, wenn Einrichtungen dort ihr Interesse an diesen Bildungsformaten bekunden, so dass wir die Angebote ab Herbst besser planen können. Ziel ist es, in der Praxis mit den Vorbehaltsaufgaben in den kommenden beiden Jahren ordentlich voranzukommen.
Foto: Kath. Krankenhausverband/Jens Jeske